AUSSTELLUNG - IDZ-Plauen89

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IDZ Plauen89
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       Ausstellung
Plauen am 7. Oktober 1989 im Bild der Stasi


Der Verein Vogtland 89 e. V.  zeigt die Fotos der Stasi von der ersten Massendemonstration in der Friedlichen Revolution 1989 in einer Ausstellung. Sie war erstmalig im Oktober 2024 für drei Wochen im Foyer des Plauener Rathauses zusehen. Die Anteilnahme und Nachfrage bei den Besuchern war enorm. Weil es an dauerhaften Präsentationsmöglichkeiten fehlt, zeigen wir die Ausstellung nun hier auf unserer Website.
Die Ausstellung entstand aus einer zweijährigen Forschungsarbeit des Vereins Vogtland 89. Es geht um den 7. Oktober 1989 in unserer Stadt. Gezeigt werden 25 Überwachungsfotos aus dem Stasi-Archiv und weitere Bilder aus privaten Beständen.
Diese Bilder könnten auch der Grundstock für die Ausstellungen in einem IDZ 89 sein -
wenn es denn dereinst in Plauen irgendwann einmal gebaut werden sollte.



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1. Kapitel
Plauen, 7. Oktober 1989: Die Menschen sammeln sich.
(Quelle: Telegramm am 6.10.1989 von MfS-Generalleutnant Gehlert, BV Karl-Marx-Stadt, an Oberst Sommer, MfS Berlin - Bundesarchiv)


Plauen war 1989 ein erstes und frühes Zentrum der Friedlichen Revolution. Die Demonstrationen für Demokratie und Freiheit wurden hier und in unserer Partnerstadt Leipzig zu einer Volksbewegung. Das Prinzip Dialog statt Gewalt, das zum prägenden Markenkern der Friedlichen Revolution werden sollte, wurde dem SED-Staat zum ersten Mal in Plauen aufgezwungen. Plauen war 1989 Vorbild und Impulsgeber mit großer Strahlkraft auch für andere Regionen in der DDR.

Die Agonie des maroden, bankrotten und reformunfähigen SED-Staates, die Aufdeckung der Wahlfälschung im Mai, das Erlebnis der Flüchtlingszüge aus Prag, die Isolation als Stadt am Eisernen Vorhang und die neue Schließung der Grenzen zur ČSSR machten Plauen Anfang Oktober zu einem politischen Pulverfass. Es bedurfte nur eines Funkens, damit sich die Verzweiflung der Menschen in Mut für Freiheit und Demokratie wandeln konnte. Die Zettel von Jörg Schneider mit dem Demo-Aufruf im Plauener Zentrum am 7. Oktober ab 15:00 Uhr gingen deshalb schnell von Hand zu Hand.

Ab Mittag begann der Zulauf ins Zentrum Plauens. Es fanden sich allmählich immer mehr mutige Menschen ein. Ihr Ziel war der friedliche Protest - hier und jetzt. Dieser Tag sollte die Stadt nachhaltig verändern.




Erste kleine Gruppen auf dem Otto-Grotewohl-Platz.









Der Aufruf von Jörg Schneider zeigt Wirkung – es kommen immer mehr Menschen auf den Platz.










Vom Rathaus zum Tunnel, Otto-Grotewohl-Platz, mit Teleobjektiv.
2. Kapitel
Plauen, 7. Oktober 1989: Hilflose Kontrollen
(Quelle: Information der MfS-BV Karl-Marx-Stadt vom 09.10.1989 über die Zusammenrottung feindlich-negativer Kräfte am 7.10.1989 in Plauen - Bundesarchiv)


Die Staatsmacht hatten sich auf den 7. Oktober 1989 in Plauen eigentlich gründlich vorbereitet. Der Aufruf zur Demo war bei der Stasi nicht unbemerkt geblieben. Umfangreiche bewaffnete Polizeikräfte und Kampfgruppen wurden zusammengezogen und weitere in Bereitschaft gehalten. Verhaftungen bereits im Vorfeld und Kontrollen an Plauens Zufahrtsstraßen. Zwei Löschfahrzeuge der Berufsfeuerwehr standen als Wasserwerfer bereit. Die SED-Kreisleitung und die Stasi hatten Großeinsatz. Sie richteten Führungs- und Überwachungspunkte ein und schickten verdeckte Personen auf den Platz. Die Demo sollte nicht nur unterbunden, sondern das Geschehen auch umfassend dokumentiert werden - anschließende Strafverfolgung inclusive. In dieser Ausstellung werden erstmals jene Fotos der Stasi gezeigt, die heute noch erhalten geblieben sind. Sie wurden von insgesamt 4 Fotopunkten konspirativ aufgenommen.




Punks galten als unangepasst, renitent und rebellisch. Sie waren der Stasi automatisch verdächtig.









Menschen sollen identifizierbar werden - Foto aus einer verdeckten Taschenkamera.










Polizeikontrollen auf dem Otto-Grotewohl-Platz.
3. Kapitel
Plauen, 7. Oktober 1989: Friedlicher Protest
(Quelle: Information der MfS-BV Karl-Marx-Stadt vom 09.10.1989 über die Zusammenrottung feindlich-negativer Kräfte am 7.10.1989 in Plauen - Bundesarchiv)
Friedlicher Bürgerprotest - mit diesem Ziel versammelten sich immer mehr mutige Bürgerinnen und Bürger am 7. Oktober 1989 im Zentrum Plauens. Gemeinsam die Angst überwinden, zeigen, dass es so nicht weiter gehen kann, Sprechen, Rufen und friedlich Fordern - das trieb die Menschen damals auf den Platz.

Auch erste Transparente wurden von den Demonstranten damals in Plauen gezeigt. Drei dieser ersten Forderungen sind überliefert: ein Transparent mit der Losung „Wir wollen Reisefreiheit“, ein Transparent mit der Aufschrift „Für Reformen und Reisefreiheit, gegen Massenflucht, vor allem Frieden“ und ein Transparent mit den Forderungen „Freie Wahl, Pressefreiheit, Reisefreiheit, Pluralismus“. Gerade die Forderung nach Reformen und der Ruf nach Freiheit machte unmissverständlich klar: Es geht um viel mehr als um einige persönliche Wünsche. Es geht um die Zukunft aller und des gesamten Landes, denn genug war genug und so konnte es im SED-Staat nicht mehr weitergehen.

In einem freiheitlichen, demokratischen Staat wäre ein solcher Protest völlig normal und schützenswert gewesen. Nicht so in der DDR. Hier galt die Demo als „Zusammenrottung“, die Forderungen galten als „offen staatsfeindliche Parolen“ und die friedlichen Bürgerinnen und Bürger als „gewaltbereite Provokateure“. Das sollte in Plauen im weiteren Verlauf Folgen haben.




Protestplakat am Oberen Graben, hoch zum Rathaus.









Erste Forderungen gegen die Staatsmacht auf Protestplakaten in den Menschenmassen.










Zerrissen und beschlagnahmt – Protestplakat wird von der Stasi dokumentiert.
4. Kapitel
Plauen, 7. Oktober 1989: Massendemonstration
(Quelle: Information der MfS-BV Karl-Marx-Stadt vom 09.10.1989 über die Zusammenrottung feindlich-negativer Kräfte am 7.10.1989 in Plauen - Bundesarchiv)


„Plauen war die erste ostdeutsche Stadt, die einen geeinten Willen zur Wende ausdrückte; sie war die einzige, in der der ostdeutsche Umbruch von Anfang an eine Sache der Massen war." Mit diesen Worten reflektierte der US-Historiker John Connelly 1990 das Geschehen in den frühen Tagen der Friedlichen Revolution.

Am 7. Oktober 1989 fand in Plauen die DDR weit erste Protestdemonstration mit unerwartet hoher Massenbeteiligung statt. Rund 15.000 Menschen, fast ein Viertel der Plauener Bevölkerung, versammelte sich. Etwa 400 Personen (3% der Demonstranten) galten als Oppositionelle. Rund 97% der Demonstranten waren demnach Bürger aus der Mitte der Stadtgesellschaft.

Für diesen Befund werden vor allem Plauen spezifische Gründe geltend gemacht. Neu ist der Verweis auf die sozioökonomischen Besonderheiten der historisch gewachsene Plauener Bevölkerungsstruktur. ‚Geeinter Wille‘ war danach auch Ausdruck der Unzufriedenheit über den Entzug unternehmerischer Freiheit in der DDR - ein nicht zu unterschätzender Fakt, da privates Unternehmertum in Plauen früher wesentlich stärker verbreitet war als in vergleichbaren Städten. Verlusterfahrung bedeutete nicht automatisch Verzicht auf einen bürgerlichen Wertekanon. Auch nach 40 Jahren DDR war er in vielen Familien präsent. Essenziell: die Ablehnung des Sozialismus und die Bejahung der sozialen Marktwirtschaft nach bundesdeutschem Vorbild.




Zehntausende haben sich zum Protest auf Theaterplatz und Tunnel friedlich versammelt.










Es wird in Plauen ein Protest der Massen werden.










Menschenmassen auf dem Otto-Grotewohl-Platz.









Der Aufruf ist Wirklichkeit geworden - Massenprotest auf dem Otto-Grotewohl-Platz.










Massenprotest auch vor dem überfüllten Theaterplatz.









Menschen strömen aus allen Richtungen zum Tunnel.










Menschen strömen aus allen Richtungen zum Tunnel.









Menschen strömen aus allen Richtungen zum Tunnel.
5. Kapitel
Plauen, 7. Oktober 1989: Gewalt und Zuversicht
(Quelle: Information der MfS-BV Karl-Marx-Stadt vom 09.10.1989 über die Zusammenrottung feindlich-negativer Kräfte am 7.10.1989 in Plauen - Bundesarchiv)
Um die im Stadtzentrum versammelten Menschen zu zerstreuen, griff der Staat zum Mittel der Gewalt. Mutmaßliche „Rädelsführer“, wurden aus der Masse heraus verhaftet. Ein Polizeihubschrauber kreiste bedrohlich niedrig über den Köpfen der friedlich Versammelten. Mit dem Einsatz von zwei - als Wasserwerfer missbrauchten - Tanklöschfahrzeugen der Plauener Berufsfeuerwehr eskalierte der Staat die Gewalt.

Ohne eine erkennbare Regie drängten nun die Demonstranten zum Neuen Rathaus. Sondereinsatzkräfte der Bereitschaftspolizei stellten sich ihnen in den Weg und gingen mit Schlagstöcken brutal gegen sie vor. Verletzte waren zu beklagen, ein Krankenwagen musste gerufen werden.

Angesichts des Kräfte-Patts und der äußerst angespannten Lage vollzogen die Demonstranten auf den Ruf eines Unbekannten hin eine Wendung um 180 Grad, lösten sich von der Polizei und formierten sich zu einem ersten, spontanen Demonstrationszug.

Als die Demonstranten gegen 17:00 Uhr wieder am Neuen Rathaus eintrafen, war die Stimmung aufgeladen. Der damalige Plauener Superintendent Thomas Küttler entspannte die Situation. Er verband seinen Appell zur Friedfertigkeit mit der Ankündigung der Demonstranten „Wir kommen wieder!“

Nachts nahm die gedemütigte Staatsmacht zahlreiche willkürliche Verhaftungen vor. 61 Verhaftete wurden über Stunden in der StVE Plauen brutal schikaniert.




Umgebaute Löschfahrzeuge der Plauener Berufsfeuerwehr – der Wasserwerfereinsatz beginnt.









Demonstranten weichen dem Wasserwerfer in Richtung Theaterplatz aus.










Brutaler und sinnloser Einsatz der Wasserwerfer gegen die Bevölkerung.









Die Lage eskaliert – beide Wasserwerfer auf dem Vormarsch.









Rücksichtsloser Einsatz Richtung Bahnhofstraße.










Die Menschenmassen weichen aus, lassen sich aber nicht zerstreuen.









Der Wasservorrat im TLF 16 geht zur Neige. Das Befehlsfahrzeug stets in Deckung.









Wasserwerfer werden attakiert und mit Steinen beworfen.










Wurfgeschosse gegen den Wasserwerfer, zertrümmerte Scheibe und Verletzungen.










Auf dem Rückzug – der Wasser-werfereinsatz ist gescheitert.
6. Kapitel
Plauen, 7. Oktober 1989: Was die Stasi nicht fotografierte.
Die Staatsmacht wählte die festen Standorte für ihre Film- und Fotoaufnahmen am 7. Oktober 1989 nach deren Zweck aus: Sammlung von Beweismitteln, Identifizierung einzelner Personen, Dokumentierung des polizeilichen Vorgehens. Demselben Zweck dienten Aufnahmen
mit versteckter Kamera.

Da es weit außerhalb ihrer Fantasie lag, was sich in den Stunden zwischen 15:00 Uhr und 18:00 Uhr entwickeln würde, hatte die Staatsmacht keinerlei Vorkehrungen getroffen, um das Geschehen an den Hotspots im „Moment der Revolution“ (John Connelly) fotografisch zu dokumentieren.

Dies war das Werk mutiger Bürger. Sie nahmen das Risiko auf sich, beim Filmen oder Fotografieren entdeckt zu werden – mit für sie unabsehbaren Folgen.

Legendär u.a.: Martin Flachs Aufnahmen am Theaterplatz aufmarschierter Bereitschaftspolizei, die von Anneliese Saupe, seiner Mutter, am 9. Oktober nach Hof in die Redaktion der „Frankenpost“ gebracht und am 10. Oktober veröffentlicht wurden. Ebenso legendär: die von Detlev Braun aufgenommenen bewegten Bilder vom Geschehen am Unteren Graben und von dem gerade eben begonnenen, ersten, spontanen Demonstrationszug der Plauener Bevölkerung.

Schließlich hielt ein Fotoamateur den Moment fest, in dem Thomas Küttler zu den Demonstranten sprach.




An der Theaterstraße abgesessene Bereitschaftspolizei bereitet sich auf ihren Einsatz vor.









Bereitschaftspolizei riegelt oberhalb des Neuen Rathauses vor der Sparkasse ab.










Bereitschaftspolizei riegelt unterhalb des Neuen Rathauses den Unteren Graben ab.








Siegmar Wolf fordert auf seinem Transparent vor dem Rathaus, was viele Menschen dachten.









„Wir kommen wieder!“ erzwingt zum ersten Mal den freien Dialog mit der Staatsmacht.


Die Friedliche Revolution hatte begonnen!

Vogtland 89 e. V. dankt der Bürgerstiftung Plauen für die finanzielle Unterstützung beim Forschungsauftrag und bei der Realisierung der Ausstellung.
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